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Heilmittelgesetz: Gentherapeutika auf dem Vormarsch

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Heilmittelgesetz: Geltungsbereich wird ausgeweitet

Das Heilmittelgesetz HMG soll den Schutz der Gesundheit von Menschen und Tieren gewährleisten und es soll sichergestellt werden, dass nur hochwertige und sichere Heilmittel in Verkehr gebracht weden. Der Forschungsstandort Schweiz soll gestärkt und der Marktzugang für Human- und Tierarzneimittel erleichtert werden. Bisher waren gentherapeutische Verfahren im Transplantationsgesetz geregelt. Nun soll das HMG mit Bestimmungen zu Arzneimitteln für neuartige Therapien, ATMP ergänzt werden. Das bedeutet eine deutliche Ausweitung des Geltungsbereiches für das HMG. 

Gentherapeutika werden umbenannt

Laut erläuterndem Bericht soll eine Anpassung an EU-Richtlinien für ATMPs erfolgen. Erstaunlicherweise weicht die Begriffsbestimmung im Entwurf zum HMG aber von der EU-Regulierung ab. Gentherapie(n) werden als «Arzneimittel für neuartige Therapien» bezeichnet. Aus unserer Sicht verschleiert die Begrifflichkeit in unzulässiger Weise, um welche Art Therapeutika es sich handelt. Die Nichtnennung von Gentherapien im Vorentwurf HMG erscheint uns als intransparent und dazu geeignet, Klient: innen und Patient: innen in die Irre zu führen. Aus unserer Sicht sollte die Öffentlichkeit wissen, wann es sich bei den ATMPs (auch) um Gentherapeutika handelt. Alles andere würde eine informierte Entscheidung unterlaufen. Hintergrund dieser Verschleierung ist vermutlich, dass eine mangelnde Akzeptanz der Bevölkerung befürchtet wird, wenn gentherapeutische Heilmittel, als eben solche benannt werden. Statt diese aber begrifflich zu verschleiern, sollte vielmehr über mögliche Risiken aufgeklärt und die Patient:innen als Subjekte behandelt werden. Ob die Akzeptanz grösser wird, wenn man die Begrifflichkeiten verwischt, bezweifeln wir.

Gentherapeutische Verfahren bleiben umstritten

Gegenüber gentherapeutischen Anwendungen besteht eine gewisse Skepsis in der Bevölkerung. Dies hat mit den bekannt gewordenen Problemen dieser Therapieform zu tun. Auch wenn durch das Verfahren CRISPR/Cas die Gentherapie Aufwind bekommen hat, so liegt die Erfüllung der grossen Versprechungen (Heilung von Volkskrankheiten) noch in weiter Ferne. Seit den 90er Jahren befinden sich die Verfahren der Gentherapie in einer experimentellen Phase und werden bisher nur bei wenigen seltenen Erkrankungen angewendet. Weiterhin sind Rückschläge in der Anwendung zu verzeichnen. Als ein Beispiel sei hier nur «Zolgensma» von Novartis genannt. Im Jahr 2022 starben zwei behandelte Kinder durch Leberversagen - ursächlich war wohl eine Immunantwort. 

Erhöhte Gesundheitskosten durch Gentherapeutika

Gentherapien stehen zudem in der Kritik, weil die Anwendung der Produkte sehr teuer ist. Das teuerste Medikament auf dem Markt (seit Ende 2023 auch in der Schweiz zugelassen) ist «Hemgenix», von CSL Behring, das gegen Hämophilie B, eine Bluterkrankung, eingesetzt werden kann. Der Marktpreis liegt bei etwa 3,5 Mio. US-Dollar für eine Anwendung. Die Produktkosten für die Schweiz sind noch nicht geklärt. Das gentherapeutische Produkt wird bisher nicht in der Spezialitätenliste des Bundesamtes für Gesundheit, BAG geführt. Die Kosten sind daher bisher noch nicht erstattungsfähig.  Angesichts des Kostendrucks im öffentlichen Gesundheitswesen erwarten wir, dass Bund und Parlament eine Debatte über die Anwendung von Gentherapeutika in die Wege leiten. Der Hersteller musste daraufhin die Hinweise über Nebenwirkungen ergänzen.  

Vermehrte Zulassung von Gentherapeutika erwartet

Die zugelassenen Heilmittel in der Schweiz finden sich in den Heilmittellisten der Swissmedic. Aktuell sind 18 Gentherapeutika in der Schweiz zugelassen. Die Therapeutika reichen von Wundpflastern, die auf Zellbasis entwickelt wurden, bis hin zu gentechnisch hergestellten Arzneimitteln, die gegen Muskelerkrankungen oder Hämophilie eingesetzt werden können. Die Preisspanne der erstattungsfähigen Mittel reicht von 3'000 Franken bis hin zu Zolgensma, einem Novartisprodukt, das bei spinaler Muskelatrophie bei Kindern eingesetzt wird. Zolgensma wird zu einem Publikumspreis von 1,8 Mio. Franken für eine Anwendung abgegeben. Es ist damit zu rechnen, dass nach der Revision des HMG mehr Gentherapeutika zugelassen werden. Ein Anlass der Novellierung ist sicher auch der anvisierte Vorteil für den Marktplatz Schweiz. Ob aber eine vermehrte Zulassung solcher Heilmittel auch im Interesse der Allgemeinheit ist, bleibt fraglich. 

Sicherheitsbedenken bei gentherapeutischen Anwendungen

Im erläuternden Bericht wird zurecht darauf hingewiesen, dass es sich bei gentherapeutischen Arzneimitteln, also den ATMP, um experimentelle Verfahren handelt, an die strengere Sicherheitsvorkehrungen angelegt werden müssen. Kriterien, die die Sicherheit der Anwendung regeln sollen werden auf dem Verordnungsweg reguliert, das halten wir für nicht ausreichend. So wird beispielsweise im Entwurf nicht bestimmt, über welchen Zeitraum eine Nachbeobachtung erfolgen muss. Zudem bleibt unklar, in welcher Form die Nachbeobachtung und die Risikovorsorge dokumentiert werden sollen. Hier erwarten wir eine gründliche Nachbearbeitung. In der Gesamtschau halten wir die vorgelegten Regelungen für nicht ausreichend, um den Schutz von Mensch und Tier zu gewährleisten. Das Vorsorgeprinzip muss für die Gesetzgebung handlungsleitend sein. Auch wenn der Forschungsstandort Schweiz mit der Revision gestärkt werden soll, gilt es in erster Linie den Schutz der Beteiligten zu gewährleisten.

Swissmedic: Finanzierung prüfenswert

Hinsichtlich der Geschäftstätigkeit der Swissmedic als Zulassungsbehörde sehen wir eine problematische Entwicklung. Per Selbstdefinition ist Swissmedic eine öffentlich-rechtliche Anstalt, die sich durch Gebühren und Beiträge des Bundes finanziert. Die Gebühren werden von den Antragsteller:innen erhoben. Ein Teil der Finanzierung aber stammt aus der sogenannten «Aufsichtsabgabe» (vgl. HMG Art. 65). Das bedeutet, dass ein bestimmter Satz (lt. Geschäftsbericht Swissmedic zur Zeit 6,5 Promille) des Fabrikpreises eines jeden verkauften Medikamentes an die Swissmedic abgeführt wird. Dies bedarf nach unserer Auffassung einer grundsätzlichen Überprüfung, da ein Interessenskonflikt nicht ausgeschlossen werden kann. Laut Geschäftsbericht 2022 ist die Aufsichtsabgabe inzwischen die Hauptfinanzierungsquelle der Swissmedic. Swissmedic darf als Zulassungsinstitut für Heilmittel nach unserer Auffassung nicht vom Verkauf der Arzneimittel profitieren. Das impliziert ein Eigeninteresse an der Zulassung und am Verkauf von (teuren) Arzneimitteln. Insofern fordern wir eine Klarstellung hinsichtlich möglicher Interessenskonflikte bei der Arzneimittelzulassung.

> Vernehmlassungsunterlagen HMG
> Stellungnahme biorespect
> Heilmittelliste Swissmedic Gentherapeutika
> Spezialitätenliste BAG